(3) Hoffnung – eine christliche Perspektive auf die Welt

Die letzten Beiträge dieses Blogs kreisten um die Frage, in welchem Verhältnis die Hoffnung zu unserem Wissen über die Welt steht. Offenkundig ist unser Wissen über die Welt, vor allem über die geschichtliche Entwicklung der Welt begrenzt. Hoffnung wiederum ist eng mit dieser Wissensgrenze verbunden. Könnten wir ableiten, wie die Zukunft aussieht, wären unsere Prognosen vollständig, so könnte es keine Hoffnung geben. Die Welt entwickelt sich dann genau so, wie es die Zahlen, Messungen und Hochrechnungen vorgeben. Unsere Haltung kann nur eine der Akzeptanz dieser Berechnungen sein.

Gegen einen „ruchlosen Optimismus“

Ernst Bloch relativiert in seiner Philosophie diese Vorstellung und nennt einen auf Berechnungen beruhenden Optimismus „ruchlos“. Weder haben wir Menschen die Zukunft im Griff, noch ist sie berechenbar. Diese außerordentlich wichtige Leerstelle, die seine Philosophie ausweist, kennt ein Pendant in der Theologie. Hier ist die Verheißung die Grenze aller Berechenbarkeit.

Hoffnung aufgrund von Verheißung

Jürgen Moltmann hat 1964 die berühmt gewordene „Theologie der Hoffnung“ geschrieben. Doch wenn man den Text genau liest, geht es um Hoffnung eigentlich nur am Rande. Nur das einleitende Kapitel befasst sich mit Hoffnung. Bei allen folgenden steht nicht Hoffnung, sondern Verheißung im Mittelpunkt der Betrachtung. Es ist die Verheißung Gottes, die der Grund menschlicher Hoffnung ist.

Verheißung des Reiches Gottes

Was aber ist Verheißung? Kurz und bündig: „Eine Verheißung ist eine Zusage, die eine Wirklichkeit ankündigt, die noch nicht da ist.“ (Theologie der Hoffnung, 1997, S. 92) Die Verheißung ist die Verheißung Gottes. Die Geschichte steht unter dem Vorzeichen, dass letztendlich das Reich Gottes kommen wird. Gott wird bei den Menschen sein und sie werden sein Volk sein.

Nun öffnet das natürlich nicht alle Möglichkeiten für willkürliche Behauptungen über die Zukunft. Der biblische Gott, so zeigt es Moltmann, bindet sich in Zusagen an sein Volk, er gibt diesem Volk eine Verheißung. Dies gilt auch nach der Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Nun steht die Geschichte für alle Menschen unter der Verheißung Gottes. Die christliche Botschaft „versteht Geschichte als die durch Verheißung geöffnete Wirklichkeit.“ (a.a.O., S. 204)   

Die Verheißung bleibt die Verheißung Gottes

Es ist nicht der Mensch, der ihre Verwirklichung bewerkstelligen kann, es ist der verheißende Gott. Dadurch aber kann die Verheißung nicht aus dem Bekannten abgeleitet werden. Die Wirklichkeit ist ähnlich wie bei Bloch im Fluss, sie verändert sich. Ja, es kann sogar sein, dass das Verheißungswort „zur gegenwärtigen und ehedem erfahrenen Wirklichkeit im Widerspruch steht.“ (a.a.O., S. 93)

Dies spitzt die Unkenntnis, von der Bloch ausgeht, noch weiter zu. Die Hoffnung folgt einer Verheißung, die in gewisser Weise sogar kontrafaktisch sein kann! Das heißt, dass der christliche Glaube nach Jürgen Moltmann in sehr strengem Sinne auch mit dem rechnen sollte, was sich als unberechenbar erweist.

Unser Handeln soll unserer Hoffnung und der Verheißung Ausdruck geben

Das Nichtwissen um die Zukunft wird in der Theologie der Hoffnung durch die Unterscheidung von Gott und Mensch beschrieben. Die Geschichte steht unter der Verheißung Gottes, die für uns aber kein „Masterplan“ ist, aus dem alle zukünftigen Entwicklungen ablesbar wären. Aber weil die Verheißung Gottes in der christlichen Gemeinde wachgehalten und erinnert wird, „muss auch ihr Leben und Leiden, ihr Wirken und Handeln in der Welt und an der Welt von dem geöffneten Vorraum ihrer Hoffnung für die Welt bestimmt sein.“ (a.a.O., S. 301)

Zugespitzt formuliert: Gerade die Beachtung der Differenz zwischen Gott und Mensch macht es möglich, immer neu auf die Verheißung Gottes zu hören, die wir uns selbst nicht geben können. Diese Verheißung kann in unseren Lebensverhältnissen geradezu kontrafaktisch sein. Aber dennoch bleibt die Verheißung bestehen und wir sind aufgefordert, unser Handeln nicht aus der berechenbaren Wirklichkeit abzuleiten, sondern aus einer Geschichte, die n dem Vorschein des Reiches Gottes unter seiner Verheißung steht.

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Autor: Frank Vogelsang

Ingenieur und Theologe, Direktor der Evangelischen Akademie im Rheinland, Themenschwerpunkt: Naturwissenschaften und Theologie

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