In welcher Sprache ist eine Rede von Gott möglich?

Die Sprache hat in der Religion, allzumal im Christentum, eine zentrale Bedeutung. Sie muss allgemein verständlich sein und sie muss in der Lage sein, feine Nuancen zum Ausdruck zu bringen. Im Jahr des Reformationsjubiläums wird auch an die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther erinnert. Seine Fähigkeiten, treffende Formulierungen zu finden, haben die Rezeption der biblischen Texte erhöht und ganz nebenbei die Entwicklung der Deutschen Sprache stark beeinflusst.

Kann man sagen, dass eine Sprache, je präziser sie ist, desto besser für die Rede von Gott geeignet ist? Tatsächlich ist das nicht der Fall. Wenn wir von Gott reden, gehen wir eine persönliche Verpflichtung ein. Die Rede von Gott ist immer auch Zeugnis, ein Zeugnis, das nicht von der Zeugin oder dem Zeugen getrennt werden kann. Die Sprache, in der die Rede von Gott möglich wird, muss also eine Sprache sein, die die persönliche Verpflichtung und das persönliche Engagement zum Ausdruck bringen kann.

Das schränkt den Gebrauch zum Beispiel von wissenschaftlichen Sprachen in der Rede von Gott stark ein. Denn die wissenschaftliche Sprache ist als solche gezwungen, verallgemeinerungsfähige Ausdrücke zu verwenden. In der Wissenschaft darf es gerade nicht sein, dass die wissenschaftliche Erkenntnis an die Person der Wissenschaftlerin, des Wissenschaftlers gebunden ist.

Deshalb kann eine wissenschaftsorientierte Sprache nur in den Anfangsgründen einer Rede von Gott eine Rolle spielen. Innerhalb des wissenschaftlichen Sprachspiels kann vielleicht verhandelt werden, ob es grundsätzlich denkbar ist, dass Gott existiert. Es kann verhandelt werden, ob es allgemeine Bedingungen gibt, die für oder gegen die Existenz Gottes sprechen. Doch die konkrete Rede von Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat, erfordert eine andere Sprache.

Werner Heisenberg hat in seiner Schrift „Ordnung der Wirklichkeit“ die Sprache in das Zentrum seiner Überlegungen gestellt. Seine Grundidee ist die folgende: Die Wirklichkeit besteht aus mehreren Schichten, die mehr oder weniger objektiv und mehr oder weniger subjektiv sind. Für jede dieser Schichten gibt es eine adäquate Sprache. Weitgehend objektiv ist die Sprache der Physik.  Schon in der Quantentheorie aber zeigen sich Komplikationen, die eine eindeutige Rede erschweren. (Die Erfahrungen der Quantentheorie waren es ja auch, die Heisenberg zu solchen Überlegungen motivierten). Noch weniger objektiv sind die Darstellungen der Biologie. Heisenberg denkt darüber nach, dass wir Lebewesen nur deshalb als etwas Besonderes ansehen, weil wir selbst am Leben teil haben.

Am Ende stehen schließlich die Kunst, die Poesie und die Religion. Hier ist der Anteil der Subjektivität am größten. Dies deckt sich damit, dass die Sprache einer Rede von Gott die oder den Redenden in irgendeiner Form mit erfassen muss. Dies geht aber nur in einer Sprache, die metaphorisch ist, die bildreich ist, die viele Aspekte des eigenen Erfahrungsraums darstellen kann.

Ich glaube, dass Heisenberg die Situation sehr gut wiedergibt. In den Anfangsgründen, in den Prolegomena kann mit Hilfe der Sprache der Wissenschaften etwa die Behauptung ausgeschlossen werden, es gäbe nichts als Materie. Diese Behauptung ist mit vielen Ergebnissen der Quantenphysik nicht kompatibel.

Doch wenn es darum geht, zu sagen, was Schöpfung, was Sünde, was Gnade, was Erlösung ist, kommt man mit einer wissenschaftlichen Sprache nicht weit. Hier ist es notwendig, Bilder, Metaphern und Erzählungen zu finden, die die eigene Beteiligung an dem Thema auch deutlich machen.

P.S. Eine Sequenz des Gesprächs mit dem Astrophysiker Harald Lesch hat gerade das Verhältnis von Alltagssprache und Wissenschaftssprache thematisiert! https://www.youtube.com/watch?v=Op6wV8-PY2E

 

Autor: Frank Vogelsang

Ingenieur und Theologe, Direktor der Evangelischen Akademie im Rheinland, Themenschwerpunkt: Naturwissenschaften und Theologie

2 Kommentare zu „In welcher Sprache ist eine Rede von Gott möglich?“

  1. Gedanken zu den Überlegungen von Frank Vogelsang zum Thema ‚In welcher Sprache ist eine Rede von Gott möglich?‘

    Lieber Herr Vogelsang, ich eigne mich nicht so sehr für religionsphilosophische Betrachtungen, möchte aber gleichwohl versu-chen, die Diskussion anzuregen, obwohl Urlaub, Computercrash und vorbereitende Arbeiten für diverse Veranstaltungen eigentlich keine Zeit lassen.

    Was ist Sprache?
    Zwei Bemerkungen vorab:
    – Ob sich tatsächlich das ‚wissenschaftliche Sprachspiel‘ zum Verhandeln eignet, ob die Existenz Gottes denkbar ist, scheint mir genauso wie Ihnen zu verneinen. Paulus sagt in 1 Kor 3,19: „Denn dieser Welt Weisheit ist Torheit bei Gott. Denn es steht geschrieben: ‚Die Weisen er-hascht er in seiner Klugheit‘.“ (Die Zürcher Bibel übersetzt sogar: ‚Der die Weisen fängt in ihrer Arglist‘). Paulus ergänzt dazu noch ein Psalm-Zitat: „Der Herr erkennt die Gedanken der Weisen, dass sie eitel sind“ (auch hier übersetzt die Zürcher Bibel strenger ‚… dass sie nichtig sind‘). Das würde bedeuten, dass wir uns von der Wissensseite her gar nicht erst bemühen sollten. Aber wie dann sonst?
    – Was die Einbeziehung der Subjektivität betrifft, so demonstriert die Quantentheorie geradezu die Notwendigkeit deren Einbeziehung durch die große Bedeutung des Beobachters.

    Vielleicht sollten wir unterscheiden:
    1. Kommunikation über Wort und Schrift
    2. Kommunikation ‚ohne Worte‘ über Empfindungen, Gefühle und andere Ausdrucksweisen vor al-lem dann, wenn eine Beschreibung nicht in Worte gefasst werden kann.

    Ersteres ist Alltäglichem, Materiellem, Diesseitigem am nächsten, letzteres weist in die Gegenrichtung, wenn wir so wollen zu Gott oder zumindest zu einer Geisteswelt. Gerade zu letzterem kann die Quan-tenphysik etwas beitragen, die ‚instantane Fernwirkung‘ und die erwähnte Wirkung des ‚Beobachters‘. Dazu könnte man auch einbeziehen, dass es gute Gründe gibt anzunehmen, dass Alles mit Allem verbun-den ist im Sinne der Kommunikation durch Feldenergien, wie sie beinhaltet sind in den Begriffen Quan-tenschaum, Sheldrakes morphischen Feldern (s. mein Aufsatz) oder auch Geschehnissen wie die Mutter, die nachts ihren Sohn leibhaftig vor sich sieht und nach Monaten erfährt, dass er in dieser Nacht an der Front gefallen ist. Weiter in Richtung geistige Welt rücken dann auch Nahtoderfahrung und (mit Ver-storbenen) Nachtoderfahrung, womit sich schon längst auch Mediziner befassen, weil die ersten Erklä-rungsversuche (Sauerstoffmangel usw.) sich als untauglich erwiesen. Die Berichte über solche Erfahrun-gen zeigen, wie schwer es ist, das in der geistigen Welt Erlebte zu beschreiben, vor allem aber das Erleb-te glaubwürdig zu kommunizieren.

    Der von Ihnen zitierte Gedanke Heisenbergs der unterschiedlichen Ebenen ist sicher eine Hilfe: Kommu-nikation ist auch die wortlose von Mensch zu Mensch, z.B. wenn man jemanden begrüßt und zu ihm im Inneren sagt: ‚Gott sei mit dir‘ und sich dies in Empfindungen und Gefühlen niederschlägt. Stimmungsla-gen und Körpersprache, freundlich lächelnd in die Augen blicken usw. sind wortlose Kommunikation. Vielleicht kann man auch die Verbindung herstellen zu dem obersten christlichen Wert, der Liebe, über das, was man vielleicht als Sprache des Herzens bezeichnet. Sogar die ‚Sprache‘ des Schweigens und die Sprache der Musik haben Ausdrucksformen, die weit entfernt von der Physik und von Materiellen sind und eine Hinwendung zu anderen Ebenen, die sich in der immateriellen Welt oder sagen wir geistigen Welt befinden.

    Es gibt einen weiteren Aspekt der Sprachlosigkeit (man spricht ja auch von der Sprachlosigkeit religiöser Erfahrung):
    1. Wie sprechen wir mit Gott und der Trinität, sofern das überhaupt möglich ist?
    2. Wie erfahren wir Antworten, sofern das überhaupt möglich ist?
    3. Was bedeutet die Ausschüttung des Heiligen Geistes?
    Wenn es stimmt, dass wir wie eingangs zitiert die Wissenschaft nicht befragen sollen, wen denn sonst? Vielleicht sollten wir uns an Menschen wenden, die Kontakt hatten oder haben zu himmlischen Quellen. Derer gibt es ja eine ganze Menge, obwohl es für viele unvorstellbar ist und man sich durch ein Studium der Theologie solche Fähigkeiten nicht aneignen kann. Dabei sind die erwähnten Nahtod- und Nachtod-erfahrenen nur eine Quelle. Mit solchen Quellen beschäftigen sich Menschen eher nur sehr diskret und auch nur dann, wenn sie durch irgendein wundersames Ereignis dazu angestoßen wurden. Ein solches Ereignis ist oft die Erfahrung einer schweren Krankheit ohne Aussicht auf Heilung die dann doch eintritt. Dann interessieren Reaktionen anderer nicht mehr. Man befasst sich dann mit Dingen, die ‚normale‘ Menschen beiseiteschieben, verweigert die Diskussion mit Dritten, der Anteil der Subjektivität wird 100 %.

    Auch Katastrophen können die Aufmerksamkeit zur Geistigen Welt lenken. Dazu gibt es ein Beispiel:

    – Der vom Wahrheitsgehalt unbestreitbare Fall eines Jungen, der nach einem Unfall vom Hals abwärts gelähmt ist, nachdem er viele Wochen im Koma lag und nach Wiedererlangung des Bewusstseins über wunderbare Erlebnisse berichtete, so dass der Vater in einem Buch über das Geschehen zu dem Ergebnis kommt: „Mein Sohn funktionierte in der sichtbaren Welt nicht, aber für mich war es schwierig, in der unsichtbaren Welt zu funktionieren. Wer hatte die größe-re Behinderung?“

    Aber auch Visionen und menschlicher Wille, sie zu verwirklichen, gehören da vielleicht hin:
    – Unter http://www.diospi-suyana.org geht es ums Beten, also eine besondere Form der Kommunikati-on mit dem Himmel und insbesondere der Sprache mit Gott. Eine Information über die Entste-hung dieses Hospitals durch zwei Menschen ohne Netzwerk und ohne Mittel erschien in der Rheinischen Post (‘Klingelbeutel‘ vom 3.12.16):

    Quote

    Das Missionsspital Diospi Suyana in Peru wird dort El Hospital de la Fe – Krankenhaus des Glaubens – genannt. Es wurde von zwei Menschen verwirklicht, die während der Schulzeit beschlossen, Medizin zu studieren und in der Dritten Welt Armen zu helfen. Ohne die erforderlichen Mittel und Netzwerke, nur mit ihrem Ziel und ihrem unbeirrbaren Glauben an Gott gingen sie nach Peru.
    Es bahnte sich Unvorstellbares an. Und als bei der Einwerbung vor allem von Sachspenden für die Aus-stattung des Spitals mit Journalisten diskutiert wurde, wie der Bekanntheitsgrad zu erhöhen sei, fiel den Medienleuten nichts Rechtes ein. Auf jeden Fall schien ihnen der Aspekt des Glaubens an Gott und seine Hilfe zu dubios, man solle dies besser lassen. Man tat es nicht.
    Heute beschreibt eine Starjournalistin der wichtigsten Wochenzeitschrift in Peru ihren 1,2 Millionen Lesern das Projekt wie folgt: Wenn der Glaube Berge versetzt, dann hat er auch an Geldbörsen gerüttelt und Herzen und Autoritäten bewegt. Dieser Glaube hat eine heillose Bürokratie überwunden, eine tiefe Skepsis und die glatten Absagen vieler. Er hat blockierte Straßen umfahren, mathematische Argumente zerlegt und erreicht, dass katholische und evangelische Christen (sogar in Peru!) zusammenarbeiten! …..

    Unquote

    Solche Quellen sprechen eindrucksvoll die Möglichkeiten über Beten, Meditation und Konzentration zur immateriellen Welt an und zeigen, wo wir das erfahren, was ‚richtig‘ ist, nämlich über wahre Kontakte zur immateriellen Welt. Und es wäre ja schon verwunderlich, wenn Gott uns nicht Möglichkeiten dazu gäbe.
    Gleichwohl bleibt die Frage, wie denn jenen Menschen Antworten auf ihre Gebete und Fragen gegeben werden, die die Fähigkeit zum Kontakt und die Erfahrungen mit der immateriellen Welt nicht haben.
    Sollten dies, lieber Herr Vogelsang, Beispiele und Ausführungen sein, die Ihr Thema nicht ganz treffen, darf ich an die Worte von Paulus erinnern (wenn wir sie ernst nehmen). Aber vielleicht geben sie ja zusätzliche Anregungen.

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    1. Lieber Herr Reuter, vielen Dank für die ausführliche Antwort. Sie machen einen Unterscheidung zwischen Kommunikation mit Worten und einer Kommunikation ohne Worte. Der Text von Heisenberg bleibt erst einmal bei der Kommunikation mit Worten. Denn schon da gibt es große Unterschiede zwischen einer physikalischen Fachsprache und poetischen Beschreibungen oder religiösen Texten. Aber natürlich – es gibt auch nonverbale Kommunikation. Das Problem ist, dass wir hier (oder in Büchern oder in anderen Texten) dies immer in die verbale Kommunikation einbinden müssen, um es überhaupt zum Ausdruck zu bringen. Insofern werden die Worte immer unsicherer.

      Deshalb ist mir auch der Text von Paulus so wichtig, der von der Rede vom Kreuz handelt. Denn er stellt ganz klar, dass alle menschliche Rede, einschließlich der theologischen und einschließlich unseres Gesprächs, nicht an das heranreichen kann, worum es eigentlich geht. Das ist auf der einen Seite frustrierend, weil wir unsere begrenzten Möglichkeiten sehen, auf der anderen Seite aber ist es auch heilsam, weil wir nicht so leicht übereinander urteilen können – wenn wir denn alle die Schwierigkeiten des Ausdrucks teilen! Gerade im interreligiösen Dialog ist das wichtig.

      Diese Kritik, die immer auch Selbstkritik ist, ist meiner Ansicht nach für eine weisheitliche Haltung essentiell. Aber es gibt auch jene Positionen, die die Grenzen der Wissenschaften behaupten, um dann nur umso vollmundiger von der eigenen Einsicht zu reden. Ich verorte diese Versuche dann eher in der Esoterik. Sie macht aus dem uns alle begrenzenden Geheimnis eine Lehre.

      Nur die sind für ein Gebet offen, die die Grenze ihrer eigenen Erkenntnisfähigkeit erkennen. In der christlichen Tugend ist das das Wort der Demut, Sie spielen, wenn ich es richtig verstehe, ja auch im letzten Satz darauf an!

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