Wie verbesserungsfähig ist der Mensch?

Es ist ein alter Menschheitstraum: Eines Tages mag es gelingen, dass wir Menschen uns Menschen weiter perfektionieren können. Viele Science Fiction sind mit solchen Wesen bevölkert, die körperlich leistungsfähiger sind, die weniger emotional sind und über höhere analytische Fähigkeiten verfügen. (Ob das wirklich Verbesserungen sind, kann man gerne diskutieren). Es ist dabei einerlei, ob diese Fähigkeiten durch genetische Veränderungen entstehen (wie in dem kritischen Film „Gattaca“) oder ob es sich um Mensch-Maschine-Mischwesen handelt (wie im Film „Terminator“). Aber das sind nur neue Formen eines alten Traums. Schon in der Renaissance gibt es die Geschichte von dem Prager Rabbi Löw, der den Golem, ein menschähnliches Wesen, schaffen kann. Nicht zu vergessen natürlich der wohl die berühmteste Kreatur unter allen Schaffensfantasien, jenes Wesen, das in der Erzählung von Mary Shelley der Schweizer Frankenstein konstruiert.

Dieser Traum hat von Beginn an starke Ambivalenzen und geht oft nicht gut aus. Ist es nicht vielmehr ein Albtraum? Die alten Erzählungen gehen oft in diese Richtung. Was ist, wenn wir Menschen unsere Gestaltungsmöglichkeit so stark erweitern können? Was macht das mit uns, mit unserem Menschenbild? Ein amerikanischer Theologe, Philip Hefner, nennt den Menschen einen „created co-creator“. Diese Formulierung ist hilfreich, weil sie die ganze Ambivalenz deutlich macht: Wir sind Geschöpfe, aber solche, die über eine erhebliche Schaffensmacht verfügen. Und diese Schaffensmacht wächst zusehends.

Neue Technologien – künstliche Intelligenz

Wir leben nun in einer Zeit, in der die Forschung in vielen Bereichen rasante Fortschritte macht. Da sind zum einen die neuen Erkenntnisse in der Erforschung der künstlichen Intelligenz. Die Vorstellung eines Supercomputers, den die Erbauer programmieren und ihn so in die Lage versetzen, Ungeahntes zu leisten, gehören der Vergangenheit an. In dieser Linie funktionierte noch Deep Blue, jener Computer von IBM, der den Schachweltmeister Garri Kasparow besiegte. Heute geht es vielmehr um selbstlernende Systeme, die keine klare vorgegebene Hierarchie mehr kennen, die sich adaptiv der wechselnden Umwelt anpassen.  Auf diese Weise ist gelungen, was für einen konventionellen Computer unmöglich schien, nämlich, dass die Maschine auch bei dem noch komplexeren Go Spiel  den weltbesten menschlichen Spieler besiegen (so geschehen im März 2016: AlphaGo besiegte Lee Sedol) Der Unterschied zu Deep Blue ist aber gravierend: Wir wissen nicht mehr so genau, warum die Maschine diesen oder jenen Zug machte, denn die Vorgänge in den selbstlernenden Systemen sind nicht mehr transparent!

Neue Technologien – Gentechnik

Ein anderes Forschungsgebiet, der ähnliche rasante Fortschritte macht, ist die Gentechnik. Seit 2012 ist bekannt, dass man mit einem bestimmten Enzym, Crispr Cas9 genannt sehr zielgenau bestimmte Sequenzen eines Genoms ausschneiden und durch andere ersetzen kann. Damit wird es zum Beispiel möglich, monogenetische Erkrankungen auszuschalten. Doch nicht nur Erkrankungen lassen sich als Anwendungsbereich denken. Warum sollte es nicht möglich sein, bei steigendem Wissen über das menschliche Genom, wünschenswerte Eigenschaften eines Menschen zu verbessern? Sollte es also denkbar sein, dass eines Tages eine künstliche Befruchtung, eine In Vitro Fertilisation vorgenommen werden kann, die das Ziel hat, bestimmte Eigenschaften des so erzeugten Embryos zu verbessern?

Was ist, was werden kann

Noch ist es nicht so weit. Noch sind die Technologien nicht so beherrschbar, dass man sie direkt anwenden könnte. Die Einführung künstlicher Intelligenz in unseren Alltag ist aber nur noch eine Frage der Zeit. Über selbstfahrende Autos wird schon viel diskutiert. Im Übrigen muss die Veränderung des Menschen nicht allein dadurch stattfinden, dass etwa künstliche Mensch-Maschine-Schnittstellen geschaffen werden. Dazu reichen auch die gewöhnlichen Interfaces, zum Beispiel das handelsübliche Smartphone. Das entwickelt sich immer mehr zu einer Kommunikationszentrale des Menschen. Was ist aber, wenn es demnächst nicht nur auf Wunsch reagiert, sondern seinerseits Empfehlungen ausspricht und schon einmal selbsttätig handelt (Kühlschrank füllen, den Weg zum nächsten erwarteten Ziel berechnen, etc).

Es ist offenkundig: Die Zukunft hat hier schon begonnen. Das, was als Erleichterung daher kommt, mag schon bald auch tonangebend sein. Warum widersprechen, wenn die Maschine es besser weiß und wir so schneller zum Ziel kommen?

Zwei Pfade in die Zukunft

Es gibt also, wie die Dinge stehen, zwei Pfade, auf denen wir mit den Technologien stärker verbunden sein werden. Der erste Weg ist der einer durch und durch berechneten Umwelt, die als Verbesserung gegenüber einer wilden und ungezähmten Umwelt erscheint, in der aber die Maschinen und Algorithmen einen zunehmenden Raum einnehmen und immer mehr Einfluss nehmen.  Der zweite Weg ist der der Verbesserung einzelner Individuen durch Gentechnik oder Interfaces. Möglicherweise konvergieren beide Wege auch in Zukunft. Ein Unternehmen in Norddeutschland hat seinen Mitarbeitern auf freiwilliger Basis subkutan einen Chip installieren lassen, so dass lästige Kontrollen (an der Tür, beim Computer) wegfallen. Aber wo endet Bequemlichkeit und wo beginnt die Fremdbestimmung?

Welche Bilder vom Menschen haben wir?

Es ist also hohe Zeit, dass wir darüber nachdenken, wie wir unser Verhältnis zu den Maschinen gestalten wollen. Es gibt viele Pfade und nicht alle sind einfach schlecht. Aber keiner ist auch einfach nur gut. Wir müssen die Ambivalenzen genau prüfen. Dahinter steht die grundlegende Frage: Wie wollen wir leben? Und diese Frage ist mit der noch grundlegenderen verbunden: Wer wollen wir sein? Die Tatsache, dass die Fantasien schon lange vor den Technologien da waren, zeigt, dass es um eine tiefliegende menschliche Sehnsucht geht. Diese Sehnsucht war immer schon auch ein theologisches Thema. Der Mensch greift über sich selbst hinaus. Das ist Teil seiner Würde und Gottebenbildlichkeit und zugleich auch Ausdruck seiner Sünde und Eigenmächtigkeit. In dieser Ambivalenz werden wir unseren Weg suchen müssen. Entscheidend ist wohl, welche Bilder vom gelingenden Menschsein uns leiten. Die Bemerkung am Anfang zeigte schon: In Science Fiction kommt wohl ein bestimmtes Bild vom Menschen zum Zuge, das man mit guten Gründen in Frage stellen kann. Aber welche anderen Bilder haben wir? Hier hat die Theologie eine wichtige Aufgabe. Die biblischen Texte bieten einen großen Fundus. Sie zeigen den Menschen als barmherzigen, als mitleidenden Menschen, als Menschen, der sich verbunden fühlt mit der in umgebenden Natur, die er eben gerade nicht beherrscht. Ein Mensch, der seine fundamentale Begrenztheit vor Gott erfährt. Es ist hohe Zeit, solche Seiten des Menschseins wieder stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Sie sind wichtig, wenn es darum geht, die Technologien der Zukunft zu gestalten!

%d Bloggern gefällt das: